Rolf und Frank sind als Schausteller auf norddeutschen Festen und Märkten aller Art unterwegs – Rolf mit einer Schießbude, Frank mit seinem Angelstand, an dem es Nippes unterster Kajüte zu gewinnen gibt. Neben Stand und Wohnmobil teilen sie die Vorliebe für Filmzitate und einen gemächlichen Lebenswandel. Das Leben läuft so nebenher, bis sich auf das als Scherz gemeinte Schild am Angelstand eine junge Frau zum Mitreisen meldet: Sybille, 19 Jahre alt, nach eigener Aussage ohne Arbeit oder sonstige Verpflichtungen, schließt sich den beiden Freunden an.

Einige Zeit geht ins Land; die Platzverhältnisse im Wohnmobil sorgen dafür, dass Frank und Sybille sich näherkommen. Doch nach der Sommerpause, die sie bei ihrer Familie verbringen wollte, verliert sich Sybilles Spur. Frank und Rolf machen sich auf die Suche nach der Frau, die für Frank deutlich mehr geworden ist als eine mitreisende Hilfskraft. Es soll noch eine Weile dauern, bis er und Rolf Sybille tatsächlich finden, doch das Wiedersehen gestaltet sich nicht sonderlich entspannt und gänzlich anders als erwartet …

(Offizieller Verlagstext)

Buchkritik

Von einem „Nachwuchsautoren“ kann bei Stefan Heuer wirklich nicht die Rede sein. Seine ersten Veröffentlichungen liegen immerhin schon rund 20 Jahre zurück. Bei diesen handelte es sich allerdings um Lyrik. Ein Genre, dem Heuer mit Ausnahme einiger Kurzgeschichten und einem 2010 publizierten Romanerstling bis heute treu geblieben ist. Das erklärt auch die Wahl des Verlages, bei dem „Katzen im Sack“ im Herbst 2017 erschien. Der Elif Verlag gehört zu den wenigen, auf die das viel strapazierte Merkmal „klein, aber fein“ tatsächlich zutrifft. Das Kerngeschäft bilden Lyrikbände und -anthologien. Ergänzt wird das Programm durch vereinzelte, ausgewählte Romanveröffentlichungen.

Genre? Welches Genre?

Doch auch aus einem weiteren Grund erschien die Wahl eines kleinen, konzernunabhängigen Hauses ratsam: Es fällt schwer, „Katzen im Sack“ einem Genre zuzuordnen – was für die meisten Großverlage wohl einem K.O.-Kriterium gleichkommt. Ein literarischer Roadmovie? Ja, irgendwie schon. Eine Liebesgeschichte? Irgendwie auch. Selbst die über weite Strecken anhaltende Annahme, es handle sich nicht um einen Krimi, muss man kurz vor Schluss doch noch revidieren. Die große Klammer, die die Handlung zusammenhält, lässt sich am ehesten mit „Geschichte einer Männerfreundschaft“ beschreiben – was wiederum die Gefahr birgt, potentielle Leserinnen abzuschrecken. Also muss die unspezifische Bezeichnung „Roman“ genügen.

Seine lyrische Vergangenheit kann Heuer indes auch beim prosaischen Schreiben nicht verleugnen. Nie verlässt er sich alleine auf den Sog der Handlung, vielmehr wirkt jedes Wort bewusst gesetzt. Das soll aber nicht heißen, dass seine Schreibweise hölzern oder gestelzt wirkt – ganz im Gegenteil. Vielmehr zeigt er, dass man auch eine Geschichte, die über weite Strecken in einem eher hemdsärmeligen Milieu spielt, auf sprachlich hohem Niveau erzählen und dabei authentisch bleiben kann.

Die Story

Frank und Rolf – zwei Mittdreißiger, beste Kumpel, auch der eigenen Selbstwahrnehmung nach nur mäßig attraktiv und überdies nicht mit dem größten Ehrgeiz ausgestattet. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie einstweilen mit einem Schieß- und Angelstand auf Volksfesten in der norddeutschen Provinz. Das Ausgangsszenario von „Katzen im Sack“ klingt nicht besonders aufregend. Obwohl das Geschehen aus der Sicht des Ich-Erzählers Frank geschildert wird, weckt es anfangs auch noch keine große Empathie beim Leser.

Das ändert sich zunächst auch nicht, als das Duo unerwartet Zuwachs bekommt. Auf eine nicht ganz ernst gemeinte Stellenausschreibung meldet sich die 19-jährige Sybille. Nicht nur, dass ihr die wenig anspruchsvolle Arbeit und das ziemlich unkomfortable Wohnwagenleben nichts auszumachen scheinen, überdies entwickelt sie offenbar ernste Gefühle für Frank. Auch das ist weder richtig nachvollziehbar, noch dient es dazu, dem Leser die Figuren näher zu bringen. Doch dann erwischt man sich plötzlich dabei, dass man denkt: Ja – warum eigentlich nicht? Fast unmerklich ist einem das Dreiergespann sympathisch geworden und man fühlt mit ihnen. Als Sybille dann plötzlich so schnell verschwindet, wie sie einst auftauchte, ist man schon längst ins Geschehen eingetaucht. Dementsprechend leidet man mit Frank, als alle Versuche, das Mädchen ausfindig zu machen, nach und nach ins Leere laufen.

Nachdem Leser und Protagonisten sich damit abgefunden haben, dass Sybille wohl nicht mehr auftaucht, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Details über das Ende sollen an dieser Stelle nicht verraten werden, nur soviel: Über 200 Seiten hat man sich an einen insgesamt ruhigen, gleichmäßigen Erzählstil gewöhnt, der seine Spannung mehr aus den Gefühlswelten der Protagonisten und ihren Beziehungen zueinander als aus wirklicher Action bezieht. Dementsprechend erwartet man auch das Ende: Stilistisch einwandfrei erzählt, aber nicht wirklich spektakulär. Das weiß natürlich auch der Autor und gießt, um es mit einer bildhaften Metapher zu sagen, dem Leser auf der Zielgeraden genüsslich einen Kübel Eiswasser über den Kopf. Der Schluss will nämlich so gar nicht zum übrigen Plot passen – und gerade das macht die eigentliche Besonderheit des Buches aus. Selbst ein versierter Krimiautor hätte das kaum besser hingekriegt. Dass Heuer dennoch bis zum Schluss seinem Erzählstil treu bleibt, sei hier nur der Vollständigkeit noch einmal erwähnt.

 

Fazit

Heuer schreibt nicht, wie der Buchmarkt es verlangt, sondern erzählt die Geschichte von Frank, Rolf und Sybille genau so, wie sie eben erzählt werden muss. Man könnte sagen, er habe ein Stück literarisches Slow Food geschaffen. Das bedeutet auch, dass er der Handlung Zeit gibt, in Gang zu kommen. Damit ignoriert er die bekannte (Binsen-?) Weisheit, laut der in einem Buch schon auf den ersten Seiten etwas wirklich Spektakuläres passieren muss, damit der Leser es nicht aus der Hand legt. Für ungeduldige Buchkonsumenten ist „Katzen im Sack“ somit keine Empfehlung. Für LeserInnen, die bereit sind, sich auf eine Geschichte einzulassen und sich nicht am Mainstream und an den einschlägigen Bestsellerlisten zu orientieren, ist es aber eine lohnende Entdeckung.


Das Buch

Stefan Heuer: Katzen im Sack. Roman. Elif Verlag: Nettetal 2017;

264 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-946989-03-5


Der Autor

Mehr vom und zum Autor gibt es auf seiner Website.

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