Ein seltsam verstörendes, hypnotisierendes Buch über eine Frau, die laut ihrem Ehemann an Durchschnittlichkeit kaum zu übertreffen ist – bis sie eines Tages beschließt, kein Fleisch mehr zu essen.
»Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie für nichts Besonderes. Bei unserer ersten Begegnung fand ich sie nicht einmal attraktiv. Mittelgroß, ein Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut, Schlupflider und dominante Wangenknochen. So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.«
Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.
Die Vegetarierin ist eine kafkaeske Geschichte in drei Akten über Scham und Begierde, Macht und Obsession sowie unsere zum Scheitern verurteilten Versuche, den Anderen zu verstehen, der ja doch, wie man selbst, Gefangener im eigenen Leib ist. Der Roman wurde mit dem Man Booker International Prize 2016 ausgezeichnet.
(Offizieller Verlagstext)
Buchkritik
Nachdem ich den Verlagstext gelesen hatte, war ich sehr gespannt. Ich erwartete in gewisser Weise eine Mischung aus „Bartleby, der Schreiber“ von Herman Melville und „Die Verwandlung“ von Franz Kafka. Und ich liebe beide Erzählungen. Auch an Ovids „Metamorphosen“ musste ich unwillkürlich denken.
Der schmale Roman ist untergliedert in drei Teile, in denen die Geschichte jeweils aus Perspektive einer anderen Figur weitererzählt wird. Im ersten Teil erzählt Yeong-Hyes (im Roman wird ihr Name durchweg „Yong-Hye“ geschrieben) Ehemann, der sich bereits im Verlagstext als außerdordentlich sympathische Figur anempfohlen hat, im zweiten Teil erzählt Yeong-Hyes Schwager, ein mittelmäßiger Videokünstler, im dritten Teil erzählt Yeong-Hyes ältere Schwester, die mit eben jenem Schwager verheiratet ist.
Erster Teil: Der Ehemann
Der Roman fängt grandios an. Der Ehemann Yeong-Hyes gibt eine charakterliche Selbstbeschreibung und die damit verbundenen Gründe zur Wahl seiner Ehefrau. Er selbst ist durchschnittlich begabt, hat dünne Arme und Beine, einen Bauchansatz und einen kleinen Penis, was ihm Minderwertigkeitskomplexe verursacht. Aus diesen Gründen hat er sich eine Frau gesucht, die aufgrund ihrer eigenen Beschaffenheit keine Ansprüche an ihn stellen würde, die über das, was er zu bieten hat, hinausreichen. In Yeong-Hye scheint er nach diesen Maßstäben die ideale Frau gefunden zu haben. Sie ist vollkommen unscheinbar, bedürfnislos und dienstbeflissen in Ausübung ihrer hausfräulichen Pflichten. Zudem trägt sie sogar durch Nebenbeschäftigungen zum ehelichen Einkommen bei. Die Welt des Ehemanns (er heißt Chong) scheint sich in einem Zustand absoluter Ruhe und Ordnung zu befinden. Das ändert sich, als Yeong-Hye nach einem schrecklichen Traum beschließt, alle tierischen Produkte aus dem gemeinsamen Haushalt zu entsorgen.
Aber ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass sie nicht mehr richtig im Kopf war. Wie gewöhnlich redete sie wenig, und die Wohnung war sauber wie eh und je. Am Wochenende bereitete sie täglich zwei bis drei vegetarische Mahlzeiten zu. Ab und zu gab es sogar gebratene Glasnudeln, wobei sie das Fleisch durch Pilze ersetzte. Daran war nichts Verrücktes, vor allem wenn ich berücksichtigte, dass es ja gerade im Trend lag, sich vegetarisch zu ernähren. Absonderlich war nur die Tatsache, dass sie nicht mehr schlief und dass sie auf meine Nachfragen immer wieder stereotyp antwortete: „Ich hatte einen Traum.“ Sie wirkte dabei so abwesend und niedergeschlagen, als lastete irgendetwas auf ihr. Ich fragte sie nie mehr nach den Einzelheiten ihres Traumes, da ich keine Lust hatte, mir noch einmal das wirre Gerede von der Scheune in dem dunklen Wald oder der Spiegelung ihres Gesichtes in einer Blutlache anzuhören.
Die Veränderung
Dieser Ehemann ist eine Wucht. Er beobachtet Yeong-Hyes Veränderung, erkennt die emotionale Not, in der sie sich zu befinden scheint, sieht aber keine Veranlassung, ihr zu helfen. Stattdessen reflektiert er beinahe ausschließlich über die negativen Konsequenzen, die die Veränderung seiner Frau für ihn bedeutet. Er bekommt zu Hause nichts Tierisches mehr auf den Teller, und seine Frau magert immer weiter ab. Morgens, wenn er aufwacht, liegt sie wächsern neben ihm und starrt an die Decke. Und sie geht jeder Berührung aus dem Weg und lässt auch nachts im Bett die Jeans an. Das führt dazu, dass er sie im alkoholisierten Zustand gewaltsam zum Sex zwingt. Nachdem er danach aus der Dusche kommt, liegt sie wieder mit Jeans im Bett und starrt an die Decke. Sie wird ihm immer fremder und gespenstischer. Deutlich lässt sich ablesen, wie sich durch Yeong-Hyes Verweigerung eine Umkehrung des Machtverhältnisses zwischen den beiden vollzieht. Der Ehemann ist vollkommen machtlos gegenüber der stoischen, beinahe apathischen Ruhe und Entschlossenheit seiner Ehefrau.
Der Eklat
Seinen Höhepunkt erreicht der erste Teil, als es zu einem Familientreffen kommt. Anwesend sind, neben Yeong-Hyes Ehemann, ihr Vater und dessen Frau sowie Yeong-Hyes Schwester samt ihres Ehemanns und ihr Bruder. Soweit ich das richtig verstanden habe. Als sich Yeong-Hye auch hier beim Abendessen weigert, Tierisches zu sich zu nehmen, kommt es zum Eklat.
Sichtbar enttäuscht ließ ihre Mutter die Hand fallen. Der alten Dame entglitten die Gesichtszüge, und sie schien den Tränen nahe. Es war bedrohlich still. Mein Schwiegervater packte seine Stäbchen, nahm ein Stück Schweinefleisch, stand auf, umrundete den Tisch und baute sich vor seiner Tochter auf.
Was nun kommt, kann man sich denken bzw. im Buch nachlesen. Insgesamt ist das eine ziemlich starke Szene. Und trotzdem ist das auch der Punkt, von dem an sich das Buch in eine Richtung entwickelt, die ich nach dem Beginn nicht erwartet hätte und die mich dadurch auch – weil ich voller Vorfreude war, was da noch alles kommen könnte – enttäuscht hat. Darauf werde ich weiter unten noch zu sprechen kommen. Nun bleiben wir noch kurz beim Familienessen. Diese Szene hätte das Potential gehabt, die Absurdität herauszustellen, die darin liegt, dass der allgemeine Konsens zu sein scheint, man müsse Fleisch essen und alles andere sei unnormal. Dadurch aber, dass Yeong-Hye zu diesem Zeitpunkt bereits bis auf die Knochen abgemagert ist und ihre Familie nachvollziehbarer Weise einen direkten Zusammenhang mit ihrem Fleischverzicht annimmt, sind die Vehemenz der Reaktionen und die Traurigkeit der Mutter, die ansonsten unangemessen melodramatisch gewirkt hätte, durchaus auch verständlich. Nach dem, was nun folgt, landet Yeong-Hye im Krankenhaus. Widerwillig besucht ihr Ehemann sie dort. Die Abscheu vor der eigenen Ehefrau wächst.
Aber am Tag darauf sollte Yong-Hye entlassen werden, was bedeutete, dass ich wieder mit dieser seltsamen und angsteinflößenden Frau zu Hause sein würde. Allein die Vorstellung war schon schlimm genug.
Zweiter Teil: Der Schwager
Der Schwager von Yeong-Hye ist ein nicht sonderlich erfolgreicher Videokünstler, der seit langer Zeit eine Vision hat von einem floral bemalten Paar, das sich miteinander vereinigt. Diese Vision möchte er künstlerisch umsetzen. Das Heikle an dieser Sache – abgesehen davon, dass es sich im Grunde um einen Porno handelt, den er filmen möchte – ist, dass es sich bei den Protagonisten seiner Vision um seine Schwägerin Yeong-Hye und ihn selbst handelt. Wie nun soll er seine Schwägerin davon überzeugen, mit ihm vor laufender Kamera Sex zu haben? Neben dieser wichtigsten Frage, stellt er sich auch Fragen danach, ob es moralisch vertretbar ist, was er vorhat, und ob ein solches Werk nicht schädlich sein könnte für seine künstlerische Reputation sowie auch sein Privatleben.
Der Bedenken zum Trotz lässt ihm die Vision aber keine andere Wahl, als sie in die Tat umsetzen zu wollen. Als er sich schließlich überwindet, seiner Schwägerin Yeong-Hye sein Ansinnen vorzutragen, sie gerne als nacktes und mit Blumen bemaltes Modell filmen zu wollen (freilich noch ohne den geplanten Sex zu erwähnen), reagiert sie darauf mit absoluter Ruhe und willigt ein. Die Blumenbemalung gefällt Yeong-Hye über die Maßen, und sie behält sie auch nach dem ersten Treffen am Körper, verzichtet auf Waschen und Duschen. Es scheint ihr, als würde diese Bemalung die Träume fernhalten. Das gibt dem Schwager Grund zur Annahme, dass bei einer weiteren Aufnahme-Session sich seine Vision womöglich vollständig in die Tat umsetzen lassen wird. Womit er letztlich recht hat.
Wie ein großer Blütenstempel glitt sein Glied in ihren Körper hinein und heraus. Er zitterte angesichts der zwiespältigen Art der Vereinigung. Abstoßende und überwältigend schöne Bilder zugleich. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er wieder die grüne, klebrige Pflanzenflüssigkeit, die sich über sein Glied, seinen Bauch und seine Schenkel verteilte.
Abgesehen davon, dass das meiner Meinung nach keine besonders gelungene literarische Darstellung ist, scheint das also eine schöne Sache zu sein, die die beiden da miteinander treiben. Nicht so schön ist es, dass sie anschließend von seiner Ehefrau respektive Yeong-Hyes Schwester überrascht werden, die sich die fertigen Aufnahmen auf der Kamera anschaut, während die beiden Akteure noch erschöpft im Bett liegen und schlafen. Der künstlerische Wert dieser Arbeit entgeht ihr dabei völlig. Stattdessen lässt sie sich von ihren Emotionen leiten. Beim Anblick dieses Gesamtszenarios sieht sie keine andere Möglichkeit, als den psychiatrischen Notdienst kommen zu lassen.
Dritter Teil: Die Schwester
Im dritten Teil, der aus der Perspektive von der Schwester, In-Hye, erzählt wird, befindet sich Yeong-Hye in der psychiatrischen Anstalt. In-Hyes Ehemann und Yeong-Hyes Schwager, der visionäre Videokünstler,
(…) wurde von den Ärzten für zurechnungsfähig erklärt und wegen Ehebruchs verhaftet. Nach einem monatelangen Gerichtsprozess und einer Vielzahl von Bittgesuchen zu seinen Gunsten wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Daraufhin verschwand er spurlos, und sie hat ihn seitdem nicht wieder gesehen.
Man erfährt in diesem letzten Teil des Buches einiges über In-Hye und ihr Verhältnis sowohl zu ihrem Ehemann als auch zu ihrer Schwester. Sie ist eine Frau, deren ganzes Leben durch Pflichtgefühl und die Wahrung des äußeren Scheins bestimmt ist. So befindet sie sich in einem argen inneren Zwiespalt. Einerseits gebietet es ihre Fürsorge als ältere Schwester, sich um Yeong-Hye zu kümmern und sie in der Psychiatrie zu besuchen, andererseits wird sie dadurch immer wieder aufs Neue an die Schmach erinnert, die ihr gemeinsam von ihrem Mann und Yeong-Hye angetan wurde.
Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dann musste sie zugeben, dass sie Yong-Hye hasste. Sie konnte ihr nicht verzeihen, was sie alles wegen ihr und ihrer Verantwortungslosigkeit durchmachen musste. Yong-Hye hatte eine Grenze überschritten und sie in der Scheiße sitzen lassen.
Die „Scheiße“ scheint sich mir nicht in die sonstige ´Stilhöhe´ des Buches einzupassen, aber das mag eine ausschließlich subjektive Empfindung sein. Jedenfalls ist die Schwester froh, als sich herausstellt, dass es Yeong-Hye in der von ihr ausgewählten Klinik gut gefällt und sie dort bleiben möchte. Sie wird sie also nicht bei sich zuhause aufnehmen müssen.
Der Rest der Geschichte ist im Grunde schnell erzählt: Es läuft auf das traurige Ende zu, weil Yeong-Hye in der Klinik erneut jede Nahrung verweigert, in ihrem festen Vorhaben, eine Pflanze zu werden.
Yeong-Hyes Perspektive
Was mich ein wenig verwundert, ist, dass in keiner der Rezensionen, die ich vorab zu dem Buch gelesen habe, irgendjemand erwähnt, dass auch Yeong-Hyes Erzählperspektive auftaucht. Dies geschieht in kursiver Schrift im ersten Teil. Die Stimme, die dort mehrmals zwischendurch in einem inneren Monolog aus der Ich-Perspektive erzählt, macht deutlich, wie entrückt die junge Frau ihrer menschlichen Umwelt ist. Und hier wird auch die intensivste Stelle des ganzen Romans geboten, die zugleich das Schlüsselerlebnis aus der Kindheit enthält, das die junge Frau schließlich einholt. Wenn man den Roman bzw. Yeong-Hyes Veränderung interpretieren oder analysieren wollte, müsste man hier ansetzen. Denn von hier kommen die verdrängten Schuldgefühle, die sich dann umso mächtiger Bahn brechen.
Absurdität, schmerzlich vermisst
Es ist sicher kein Zufall, dass die offizielle Beschreibung des Buches seitens des Verlags im Grunde lediglich den ersten Teil der Geschichte aufgreift. Dieser beginnt, wie ich oben bereits schrieb, wirklich außergewöhnlich vielversprechend. Der stille, subversive Widerstand von Yeong-Hye, ihre stoische Ruhe und Bestimmtheit, gegen die sich alle Versuche der Einflussnahme als wirkungslos erweisen, ist spannend und unterhaltsam zu lesen. Der weitere Verlauf der Geschichte hat mich enttäuscht.
Ab dem oben bereits markierten Zeitpunkt des familiären Abendessens, als die Erzählung von absurd-subversiv in dramatisch umschlägt, hält die Geschichte für mich persönlich nicht mehr, was sie anfänglich verspricht. Was dann folgt, hat nichts Absurdes und nichts Groteskes mehr an sich, sondern führt über das Belanglose (Zweiter Teil) hin zum Tragischen (Dritter Teil). Diese Kunst-Porno-Angelegenheit im zweiten Teil hat mich nicht besonders interessiert, wenngleich dies die zweite Stufe von Yeong-Hyes Pflanzenwerdung demonstrieren soll. Zudem finde ich den Sex literarisch schwach umgesetzt. Dieses Bild vom Penis als Blütenstempel wirkt auf mich ziemlich primitiv und beinahe unfreiwillig komisch. Oft sind die nächstliegenden Bilder nicht unbedingt die besten. Von dem angedeuteten absurden Potential des ersten Teils, das sich hätte entfalten können, ist im zweiten Teil nichts mehr vorhanden. Denn es gibt Pornos, und es gibt mit Sicherheit auch Leute, die sich beim Sex anmalen, das dann filmen und für Kunst halten. Warum nicht auch mit Pflanzenbemalung.
Auch Yeong-Hyes Bedürfnis, sich immer wieder zu entblößen, um die Sonnenstrahlen aufzunehmen, hat für mich nichts sonderlich Groteskes an sich. Sicher ist es unpassend, soetwas an allen möglichen Orten zu tun; aber beispielsweise beim FKK machen das viele Menschen gerne. Die meisten von uns finden es sehr angenehm, die Sonne auf der nackten Haut zu spüren. Nicht jede(r) will deshalb zur Pflanze werden, gewiss. Aber selbst diesen Gedanken kann ich nachvollziehen. So fühlt es sich zum Beispiel sehr beruhigend an, Bäume zu berühren, und inmitten der Friedlichkeit eines Waldes fühlt man sich wundervoll. Da ist der Wunsch, in irgendeiner Form eins damit zu werden, nicht mehr weit entfernt. Bei Yeong-Hye nimmt dies freilich tragische Züge an. Welcher Kategorie sie nach ICD-10 zuzurechnen ist, ob Psychose oder Schizophrenie, ist nicht ganz deutlich. Die Geschichte möchte sicherlich gänzlich offen lassen, ob es sich dabei wirklich um eine Erkrankung im eigentlichen Sinne handelt oder ob Yeong-Hye vermittels ihres Traums teilhat an einer Wahrheit, die ihr keine andere Wahl lässt. Die Grenzen sind diesbezüglich womöglich ohnehin fließend.
Fazit
Ich kann für mich lediglich resümieren, dass ich mir gewünscht hätte, die Geschichte wäre anders verlaufen. Ich wünschte, die Erzählung hätte sich auf das Verhältnis von Yeong-Hye zu ihrem Ehemann konzentriert und hätte die weitere Entwicklung ihrer Beziehung mitsamt der Umkehrung des Machtverhältnisses bis zum Ende durchexerziert, um das Absurde immer weiter zur Entfaltung zu bringen und – sozusagen en passant – aufzuzeigen, wie absonderlich nicht Yeong-Hyes Fleischverzicht, sondern im Gegenteil das gedankenlose und selbstverständliche Vertilgen von Tieren in rauhen Mengen ist. Und die absolut egozentrierte Wahrnehmung des Ehemanns Chong, die im wesentlichen das Absurde und Humorige des ersten Teils ausmacht, hätte ich gerne weiter mitverfolgt. Stattdessen hat sich die Autorin dazu entschieden, der Geschichte alles Absurde zu nehmen, indem sie die tragische Geschichte einer jungen Frau aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt, die alle keinen Zugang zu dem finden, was in ihrem Inneren vor sich geht. Das hat die Autorin im Großen und Ganzen gut gemacht, und das hat ihr den Man Booker International Prize 2016 eingebracht. Aber mich hat es enttäuscht.
Das Buch
190 Seiten, 18,95 €, ISBN 978-3-351-03653-9
Die Autorin
Mehr von und zu Han Kang findet man hier.
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